Das Problem mit der Offenen und Ehrlichen Unternehmenskultur

Sie kennen sicherlich Leitlinien und Unternehmensphilosophien. Die Sätze, die gerne auf DINA2-Postern in den Unternehmen hängen. Meistens schön eingerahmt, wertig von einer Werbeagentur aufbereitet und lauthals bei einer Mitarbeiterversammlung mit Feuerwerk angekündigt. Bähm! Da sind sie. Das ist jetzt unsere neue Kultur. Hurra!

Die Herausforderung dabei ist nur, dass sich so gut wie keine Führungskräfte in Unternehmen an diese Leitlinien halten. Ist dies eine provokante Aussage? Vermutlich. Das tägliche Erleben stützt diese Aussage allerdings. Wieso dem so ist, hängt aus meinen Erfahrungen an zwei Hauptfaktoren:

  • Sie wollen es nicht.
  • Sie wissen nicht, welches Verhalten dazu führt, die Leitlinien zum Leben zu erwecken.

Sollte der erste Punkt der Grund für die Nicht-Umsetzung sein, wird es schwierig. Denn hier müsste jetzt der CEO oder Geschäftsführe mit seinen Führungskräften ein ausführliches Gespräch führen, die Abwehrhaltung verstehen und im wahrsten Sinne des Wortes „versuchen“, die Haltung zu ändern. Sie kennen sicherlich die Schwierigkeit mit Haltungsänderungen. Die Königsdisziplin bei uns Menschen - neben der Liebe ;-) Dies ist definitiv keine einfache Sache. Es dauert. Ist langwierig. Kostet Nerven. Wäre (bewusst konjunktiv) aber der einzig richtige Schritt, um die Kultur in Bewegung zu bekommen. Reden und Überzeugen bis alle Führungskräfte diese Leitlinien umsetzen und leben wollen. Zum Wohle des Unternehmens. Zum Wohle des eigenen Arbeitsplatzes. Zum Wohle der Familie.

Der zweite Punkt, nicht wissen, welches Verhalten notwendig ist, ist einfacher zu lösen. Hier kann das klassische Verhaltenstraining und mit anschließendem Shadowing die Umsetzung gewährleisten. Nur, die Welt ist nicht so einfach. Um Leitlinien trainieren zu können, benötigen die Trainer eine ausführliche Definition der Inhalte. Also was bedeutet genau welcher Inhalt, welcher Satz, welches Wort. Ein Beispiel:

„Wir pflegen eine offene, ehrliche und wertschätzende Kommunikation miteinander.“

Der Klassiker unter den Leitlinien. Direkt schon langweilig. Copy and Paste einer Unternehmensberatung. Schlimm, dass hierfür auch noch Geld bezahlt wurde. Aber zurück zum Beispiel. Was genau steckt in diesem Satz? Was genau ist damit gemeint. Überlegen Sie bitte selbst kurz, was für Sie die Worte „offen“, „ehrlich“ und „wertschätzend“ bedeuten. Und wenn Sie Lust und Laune haben, fragen Sie jetzt irgendeine andere Person, der Sie gerade begegnen. Und welche Überraschung. Die beiden Definitionen stimmen nicht zu 100% überein. Es wird Unterschiede zwischen Ihrer und der, der anderen Person geben. Das ist nichts Schlimmes, so lange es sich auch um zwei verschiedene Unternehmenskulturen handelt. Wenn Sie und die befragte Person aber im gleichen Unternehmen arbeiten und Sie beide die Leitlinie umsetzen sollen, dann werden Sie beide dies auf unterschiedliche Art und Weise (was in Ordnung ist), aber eben auch mit unterschiedlichem Verhalten (was nicht in Ordnung ist) mit unterschiedlichem Inhalt (was ebenso nicht in Ordnung ist) tun. Das Ergebnis ist jetzt schnell erklärt. Mitarbeiter sind verwirrt, Mitarbeiter erleben die Führungsebene unterschiedlich. Führungskräfte widersprechen sind. Eine einheitliche Kultur kann nicht entstehen. Also was bringt dann das Ganze? Nur Kosten für das Unternehmen und Umsatz für Berater und Werbeagenturen. Volkswirtschaftlich gesehen ist dies zwar positiv, betriebswirtschaftlich jedoch kompletter Nonsens.

Was müsste geändert werden?

Diejenigen, die die Leitlinien definieren, müssen ein weiteres Papier schreiben, in dem die Auflösung der einzelnen Leitlinien bezogen auf das Verhalten steht. Es muss eine Art Verhaltensbibel geben, die es auch Trainern ermöglicht, die Leitlinien dann professionell zu trainieren und bei der Begleitung die Umsetzung zu gewährleisten.

Lösen wir unser Beispiel von eben auf. Wie müsste beispielsweise die dazugehörige Bibel lauten:

Wertschätzendes Verhalten ist:

  • Wir grüßen uns immer, wenn wir uns im Unternehmen begegnen. Dabei pflegen wir auch Blickkontakt (ja, es ist ein Unterschied der Wertschätzung, ob ich jemandem beim Grüßen in die Augen blicke oder nicht).
  • Wir unterstützen uns bei Problemen, erlauben es uns aber auch, ein begründetes Nein zu sagen. Auch das Nein wird gewertschätzt.
  • Wir achten gegenseitig auf unsere Gesundheit, unsere physische wie psychische Verfassung.

Offenes Verhalten ist:

  • Wenn wir miteinander reden, dann achten wir auf eine offene Körpersprache, die den Gesprächspartner einlädt und nicht ablehnt.
  • Wir erlauben es uns, über unsere Gedanken und Gefühle zu sprechen.
  • Wir nehmen uns Zeit für positives wie negatives Feedback und sind offen für die Meinung anderer.

Ehrliches Verhalten ist:

  • Wir dürfen sowohl unsere Gedanken als auch unsere Gefühle und körperlichen Reaktionen aussprechen.
  • Dabei sehen wir das „über Gefühle reden“ als Stärke und nicht als Schwäche.
  • Wir fordern dies sogar proaktiv ein und fragen auch diese Ebenen ab.
  • Wir hören uns die Meinung des Gegenübers bis zum Schluss ohne Unterbrechung an.
  • Wir verschweigen uns keine Gedanken, Gefühle und körperlichen Reaktionen.

Dies sind mögliche Definitionen, um ein Verhalten daraus ableiten zu können. Führungskräfte, Trainer und Berater wissen dann genau, was zu trainieren und nachzuhalten ist. Wir können über Beobachtungen und Wahrnehmungen feststellen, ob die Leitlinien gelebt werden. Und… und dieser Punkt ist jetzt sehr wichtig: Wir können nach einigen Wochen und Monaten auch feststellen, ob die Leitlinien das Unternehmen vorangebracht haben. Ist es erfolgreicher? Gibt es glücklichere Mitarbeiter und Kunden? Macht es mehr Umsatz und Gewinn? Wenn ja, weitermachen. Wenn nein, dann können die Leitlinien angepasst werden in der Hoffnung, dass diese Veränderungen den Erfolg in allen Bereichen erhöht.

Jetzt macht das Ganze Sinn. Alles andere ist reine Show und Geldverschwendung.

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